Der Leitfaden
Parteien und Kandidierende sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass der digitale Bundestagswahlkampf Beteiligung und Grundrechte stärkt, statt Menschen auszugrenzen. In einem digitalen Superwahljahr 2021 müssen sie digitale Räume für die Demokratie zurückgewinnen. Das heißt: Sie müssen einen Online-Wahlkampf führen, der ohne Diskriminierung, Desinformation und Eingriffe in die Privatsphäre auskommt.
Dazu braucht Deutschland neue Gemeinschaftsstandards: Standards, die für alle Parteien und Wahlkämpfer:innen gelten und die von demokratischen Parteien, nicht von Facebook und Google definiert werden.
Wenn die Parteien und ihre externen Dienstleister:innen folgende Maßnahmen umsetzen, ermöglichen sie den Menschen in Deutschland eine Wahlentscheidung, die wirklich frei, gleich und geheim ist.
1 Volle Transparenz
Wir kennzeichnen unsere Inhalte, insbesondere Werbung, in den sozialen Netzwerken klar als der Partei zugehörig und versehen sie mit einem Hinweis auf die Finanzierungsquellen.
Wir kennzeichnen ebenfalls alle Social-Media-Profile, -Seiten, und -Gruppen der Partei und der Kandidierenden als der Partei zugehörig.
Wir verpflichten alle unsere Werbepartner:innen, insbesondere Influencer:innen und andere Betreiber:innen journalistisch-redaktioneller Angebote, jegliche Werbung für unsere Partei als Werbung zu kennzeichnen, in sinngemäßer Anwendung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (§§ 3 I, 5a VI UWG).
Wir nehmen die Hilfe von Fachleuten in Anspruch, um unsere Mitarbeiter:innen zu den Transparenzpflichten sozialer Medien und Regeln der Wahlkampffinanzierung, der Medienregulierung und des Datenschutzes zu schulen.
Wir bauen in Zusammenarbeit mit weiteren Fachleuten ein öffentliches, digitales Archiv mit einer umfassenden Dokumentation aller bezahlten Inhalte, Anzeigen, Targeting-Parameter und Daten über die Reichweite und Interaktionen mit unserer Werbung.
Wir benennen eine/n Verantwortliche/n, die/der die Rückfragen der Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Plattformen zur Online-Kommunikation der Wahlkämpfer:innen beantwortet.
Wir nehmen die Hilfe von Fachleuten, auch von außerhalb der Partei, in Anspruch, um zwischen Juli und November monatliche Berichte zu veröffentlichen, in denen wir über die Verwendung unseres Budgets für den digitalen Wahlkampf informieren, etwa über die Zusammenarbeit mit externen Dienstleister:innen, die Verwendung von Nutzer-Daten und das “Targeting” im Netz, also die gezielte Ansprache bestimmter Zielgruppen anhand deren Onlineverhalten
2 Umfassender Grundrechtsschutz
Wir nutzen in der Zielgruppenansprache (“Targeting”) nur zwei Parameter: Ort (maximal PLZ-genau) und Alter der Bürger:innen. Wir verzichten auf „Dark Ads“ (also auf Werbung, die nur einer bestimmten Gruppe angezeigt wird und für Außenstehende nicht einsehbar ist).
Datensätze mit personengebundenen Daten von Wähler:innen nutzen wir im Wahlkampf nur mit ihrer ausdrücklichen Einwilligung, entsprechend europäischer Datenschutzregeln ( Art. 6 und 7 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)).
3 Keine Desinformation
Wir prüfen alle unsere Inhalte auf inhaltliche Richtigkeit und verbreiten nicht absichtlich Fehlinformationen, insbesondere nicht über den Ablauf und das (vorläufige) amtliche Endergebnis der Wahlen.
Wir kaufen und unterstützen finanziell keine Profile, Seiten oder Gruppen, die gezielt irreführende Informationen oder Hetze verbreiten oder mit denen versucht wird, eine Massenmeinung vorzutäuschen.
Wir kennzeichnen Inhalte, Profile und Seiten, die automatisiert erstellt und betrieben werden als solche im Einklang mit der Kennzeichnungspflicht aus der deutschen Medienregulierung (§ 18 (3) Medienstaatsvertrag).Wir verzichten auf automatisierte Profile und Seiten, die versuchen vorzugeben, ein Mensch zu sein („Social Bots“).
Wir versuchen alle Wähler:innen zur Wahlteilnahme zu bewegen, anstatt sie durch die Verbreitung von Desinformation oder Einschüchterung davon abzuhalten („Wählerunterdrückung“).
4 Keine digitale Gewalt
Wir intervenieren, wenn Menschen oder gesellschaftliche Gruppen auf unseren Seiten, Profilen und unter unseren Inhalten zur Zielscheibe von Hass werden. Wir moderieren unsere Online-Foren proaktiv statt uns allein auf die Plattformbetreiber zu verlassen.
Von Unternehmen, die reichweitenstarke Plattformen anbieten,fordern wir, detaillierte Berichte über die Risiken von organisierter Hetze und Desinformation zu veröffentlichen, und alle Nutzer:innen proaktiv über Möglichkeiten der Abhilfe, etwa Melde-Funktionen, aufzuklären.
Wir verlangen von Unternehmen, die reichweitenstarke Plattformen anbieten, zu belegen, dass mit unseren Werbebudgets keine Seiten oder Beiträge finanziert werden, die Desinformation oder Hetze beinhalten. Außerdem fordern wir die Unternehmen dazu auf, hetzerische Inhalte nicht auf automatisierte Weise zu verbreiten.
Wir schließen Kooperationspartner:innen, insbesondere Blogger:innen, Influencer:innen und Webseitenbetreiber:innen, von der Zusammenarbeit aus, die systematisch journalistische Sorgfaltspflichten missachten oder volksverhetzende oder rassistische Inhalte verbreiten.
Wir setzen keine Daten ein, die durch Doxing (also das Zusammentragen und Veröffentlichen privater Daten) gewonnen wurden.
- Neben diesen kurzfristigen Maßnahmen werden wir uns im Koalitionsvertrag bzw. im nächsten Bundestag für Reformen einsetzen, die langfristig einen fairen, transparenten und verantwortungsvollen digitalen Wahlkampf ermöglichen. Dieser Einsatz ist für uns sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene wichtig.